Hintergrund: Kunstrasen auf Überflutungsflächen

Die Wahl des Kunstrasens unter dem Gesichtspunkt der Hochwasservorsorge

Die Lage einer Sportanlage innerhalb eines potentiellen Überschwemmungsgebietes erfordert eine Auseinandersetzung mit der Problematik der Hochwasservorsorge. Es wird davon ausgegangen, dass es für die nicht möglich sein wird, durch das Erhöhen oder auch Eindeichen der Anlage Hochwasservorsorge zu betreiben. Daher ergibt sich das Unterthema der Bauvorsorge, der Anpassung der Bauweise und Nutzung an Hochwasserrisiken. Durch eine angepasste Bauweise soll ein mögliches Hochwasser wesentlich geringere Schäden verursachen. Dennoch sind dabei auch die Aspekte der Nutzung nicht zu vernachlässigen. In Bezug auf die Sportanlage sind dabei die folgenden Gesichtspunkte zu bewerten:

  • Schadanfälligkeit der Sportfläche bei Hochwasser
  • Instandsetzungskosten im Schadensfall
  • sportliche Eignung
  • Präventionsmöglichkeiten

Diese Eigenschaften werden für unterschiedliche Bauweisen miteinander verglichen und in einer Bewertungsmatrix dargestellt. Es wird davon ausgegangen, dass im Falle eines Hochwassers nur geringe Strömungsgeschwindigkeiten auftreten, es jedoch zu einem starken Eintrag von Feinsedimenten kommen wird.

Prognose der Auswirkung von Hochwasserschäden auf verschiedene Kunstrasensysteme

Nachfolgend wird angenommen, dass die Sportfläche mit sehr niedriger Strömungsgeschwindigkeit bis zu 1m hoch überspült wird. Es wird davon ausgegangen, dass das Hochwasser längere Zeit auf dem Platz steht und sich wesentliche Teile der Sedimentfracht des Hochwassers auf dem Platz absetzen. Nach dem Hochwasser ist der ursprüngliche Zustand des Platzes wieder herzustellen.

Unverfüllter Kunstrasen (Kunstrasen der 1. Generation)

Sedimente können durch Bürsten und Spülung mit einem Hochdruckreiniger gut entfernt werden.

Sandverfüllter Kunstrasen (Kunstrasen der 2. Generation)

Es bildet sich auf dem groben Sand eine Sedimentschicht. Diese kann bei vorsichtiger Vorgehensweise (Bürsten + Spülen) mit einem mittleren Arbeitsaufwand entfernt werden. Auch bei sorgfältiger Arbeit wird es aber zu einer geringen Vermischung des Sandes mit Feinsedimenten kommen. Im schlimmsten Fall muss daher auch der Sand getauscht werden, was jedoch im Vergleich zum Neubau überschaubare Kosten nach sich zieht.

Kunstrasen mit Sand-Gummigranulatverfüllung (Kunstrasen der 3. Generation)

Das Gummigranulat bildet eine sehr poröse Oberfläche, die Sedimentierung wird diese Schicht weitgehend durchdringen. Eine Trennung von Gummigranulat und Sedimenten ist auf dem Platz kaum möglich. Die Reparatur würde einen kompletten Austausch des Gummigranulats erfordern, wobei davon auszugehen ist, dass gegebenenfalls auch die Sandverfüllung in Mitleidenschaft gezogen wird. Vor dem Hintergrund der Mikroplastikregulierung ist dieses Material ohnehin obsolet.

Eine Überlegung wert hingegen wäre ein mit Kork verfüllter Kunstrasenplatz. Ohne Abdeckung wäre allerdings sicher, dass das leichte Infill im Falle eines Hochwasser nahezu komplett ausgewaschen würde.

Schutz des Rasens durch Überdeckung

In den meisten Fällen besteht für das Hochwasser eine Vorwarnzeit die es theoretisch ermöglicht, Schutzmaßnahmen für den Platz zu ergreifen. Für den unverfüllten Kunstrasen wäre diese Vorgehensweise nicht zielführend. Beim sandverfüllten Kunstrasen wäre das Abdecken mit Sand – um die spätere Reinigung stark zu vereinfachen – denkbar. Um für diesen Fall vorbereitet zu sein, müsste eine entsprechende Sandmenge (350-400m³) am Platz bevorratet werden. Weiterhin wäre sicherzustellen, dass ein geeigneter Betrieb für diesen Fall einsatzbereit ist. Diese Vorgehensweise würde die spätere Reinigung vereinfach und eine Vermischung der unteren Sandschicht mit dem Feinsediment voraussichtlich ausschließen. Eine Kosten-Nutzen Analyse wäre im Verlauf der differenzierten Planung sinnvoll. Für Kunstrasen der dritten Generation wäre die Überdeckung deutlich aufwändiger: das Granulat müsste bis zur Spitze der Halme mit homogenem Gummigranulat aufgefüllt werden, ein Trenntextil müsste aufgebracht werden und darauf eine Sandschicht zur Filterung der Sedimente. Im Rahmen der zu erwartenden Vorwarnzeit ist dies nicht realistisch.

Weitere Schutzmaßnahmen

Es ist auch in Niederungsbereichen zu prüfen, ob gegebenenfalls Fließgeschwindigkeiten auftreten, die dazu führen können, dass es zu Verwerfungen und Faltungen der Kunstrasenmatte kommt. Wenn dies der Fall ist, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Totalschaden handelt, da ein nachträgliches Geradeziehen unter der Belastung des Füllmaterials kaum möglich ist. Daher sollte der Kunstrasen in diesen Fällen eingespannt werden, wie dies beim Kunstrasen der ersten Generation üblich ist.

Diskussion

Die Hochwasserresistenz der verglichenen Sportbodensysteme verhält sich komplementär zur sportlichen Eignung. Unverfüllter Kunstrasen ist in Bezug auf die Bespielbarkeit das Material mit der geringsten Eignung, da trotz technischer Fortschritte das Problem der so genannten „Rutschbrandverletzungen“ beim Grätschen nach wie vor nicht vollständig gelöst ist. Bisher (Stand 212) hat kein unverfüllter Kunstrasen die entsprechenden Tests der FIFA bestanden. Spielerisch optimal ist der Kunstrasen dritter Generation, dieser zeigt allerdings auch die höchste Anfälligkeit gegenüber den Folgen einer Überschwemmung. Der sandverfüllte Kunstrasen stellt eine Kompromisslösung dar – einerseits ist er noch gut zu reinigen, andererseits sind die sportlichen Spieleigenschaften akzeptabel. Dieser Rasen wird für Fußball nicht sehr häufig eingesetzt, findet dafür oft im Tennissport Anwendung. Da die Sandfüllung bei starker Belastung auf die Kunststoffhalme einen „Raspeleffekt“ ausübt, gilt diese Bauweise als weniger haltbar. Allerdings tritt dieser Effekt vornehmlich im Tennissport auf und spielt beim Fußball wegen der geringeren Belastung eine untergeordnete Rolle. Im Fußball wird spielerisch der Kunstrasen dritter Generation bevorzugt, da dort das Ballsprungverhalten näher am Naturrasen ist und auch die Falldämpfung zur Minderung des Verletzungsrisikos beiträgt. Dennoch gibt es genügend Beispiele die zeigen, dass auch ein sandverfüllter Kunstrasen von den Spielern gut angenommen wird.

 SchadanfälligkeitInstandsetzungskostensportliche EignungSchutzmöglichkeit
Bestand (Tennefläche)++
(Ausschlusskriterium)
Kunstrasen unverfüllt+++/
Kunstrasen sandverfüllt++++
Kunstrasen mit Sand/Gummigranulat++

Fazit

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien, ist der Einsatz eines sandverfüllten Kunstrasens zu empfehlen. Für die Schutzmaßnahmen ist eine Kosten-Nutzen-Analyse zu erstellen. Die Notwendigkeit einer Verspannung mit dem Untergrund ist zu prüfen.

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